Hier zur Abwechslung eine Geschichte, die mir wieder in den Sinn gekommen ist, weil der Kaminfeger hier war. Wir wohnen zwar nicht mehr an der Dorfstrasse in Wuppenau, der Kaminfeger ist aber der gleiche geblieben, und ich freue mich noch immer, wenn er vorbei kommt. Er nimmt mir diese Geschichte, die ich sozusagen zur Aufarbeitung des Traumas geschrieben habe, auch nicht übel. So hat er nämlich damals veranlasst, dass sie in der Kaminfegerzeitung erschienen ist.
Lieber Herr Kaminfeger
Kaminfeger bringen Glück, heisst es. Und wenn es nur das Glück ist, zu wissen, dass mit dem Kamin und dem Ofen alles in Ordnung ist. Ich freue mich immer, wenn Sie vorbei kommen. Da ich weiss, dass Sie Ihr Handwerk verstehen und sich in meinem Haus zu Recht finden, ist es eigentlich nicht nötig, dass ich anwesend bin, wenn Sie Ihre Arbeit verrichten. Ich vertraue darauf, dass ich ausser dem Kübel mit dem ausgefegten Russ und den verschmutzten Zeitungen keine grossen Spuren davon sehe, wenn ich zurückkomme, nachdem Sie schon wieder gegangen sind.
Der letzte Besuch wird mir ewig Erinnerung bleiben. Sie hatten sich auf Freitagmorgen angemeldet. Bevor ich noch in der Dunkelheit das Haus verliess, heftete ich einen Zettel an die Haustür, damit Sie erstens wussten, dass ich Sie nicht vergessen hatte, und zweitens wollte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass die Türe offen sei.
Ich kam dann am frühen Nachmittag müde und abgekämpft von der Busshaltestelle in mein trautes Heim zurück und freute mich schon darauf, es mir mit einer heissen Schokolade vor dem knisternden Kaminfeuer gemütlich zu machen. Es war dann eine herbe Enttäuschung, als ich, die ich andere Leute nie ausschliesse, selber vor verschlossener Tür stand. Die Enttäuschung wandelte sich innert Sekunden in helle Verzweiflung, weil ich nie einen Hausschlüssel dabei habe. Ich brauche ihn ja auch nie. Wie sollte ich also jetzt ins Haus kommen? Aus Verzweiflung wird entweder Resignation oder Wut geboren. Ich habe mich für letzteres entschieden. Welcher Idiot, entschuldigen Sie den Ausdruck, schliesst eine Türe, die offen war?
Ich wollte nur eines: möglichst schnell ins Haus. Zwar haben mir verschiedene Leute hilfreiche Tipps gegeben, aber ich war so ausser mir, dass ich mich für eine harte Lösung entschied, entscheiden musste. Es ging auch darum, Druck abzulassen. Nicht dass ich blindwütig dreinschlagen wollte, ich habe im Gegenteil verschiedene Möglichkeiten auf ihre Durchführbarkeit geprüft. Schon seit längerem planen wir, eine Türe zwischen Garage und Haus einzubauen. Ich hatte die Axt schnell in der Hand. Was mich aber davon abhielt, sie auch einzusetzen, war das Datum. Der 23. Dezember ist nicht sehr geeignet, um Bauvorhaben zu realisieren und, wie Sie sich vielleicht erinnern, war es an besagtem Freitag vor Weihnachten zudem ziemlich kalt. Ich hatte keine Lust, über die Festtage im Durchzug zu stehen. Aus diesem Grund verwarf ich auch die Idee, eines der alten Fenster auf der Rückseite des Hauses einzuschlagen. Dazu hätte ich auf das alte Hühnerhäuschen klettern müssen. Auch schien es mir ein bisschen gefährlich, mich zwischen den Scherben und den doch recht engen Sprossen hindurch kopfüber ins Badezimmer fallen zu lassen. Es blieb also nur die Kellertür.
Ich schlug zu, heftig zu. Die Wut machte mich stark. Ha! Und nochmals. Ha! Insgesamt wohl fünfzehn Mal schlug ich zu, bis ich den oberen Angel aus dem Gebälk und ein handgrosses Loch ins Holz geschlagen hatte. Als sich die müden Schrauben des Schlosses lösten, war ich erlöst. Zumindest stand ich heulend in der Küche. Später dann hängte ich die Tür wieder ein. Ich räumte auf und klebte einen Karton über das Loch.
Die Wut ist schliesslich verraucht und mit ihr meine schlechten Gefühle Ihnen gegenüber, lieber Herr Kaminfeger. Ich bin schon soweit zuzugeben, dass Sie keinen Fehler gemacht haben. Trotzdem hier mein ultimativer Rat: Schliessen Sie nie eine Tür, die offen war. Und schon gar nicht meine. Die Kellertür ist nämlich mehr als geflickt und hält nun jedem Axthieb Stand.
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However, in hindsight it’s a great story. 😉
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That would be very frustrating, especially after a long day and it’s Cold outside.
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