Pflichtbewusst bis zum letzten Erbschen

Es gefällt mir gar nicht, von meinem Mann als Suchti bezeichnet zu werden, weil es einfach nicht stimmt. Suchtverhalten ist meinem Wesen total fremd. Ich habe gerne Schokolade, aber ich kann sehr gut wochenlang ohne auskommen, auch wenn es welche im Vorrats- oder Kühlschrank hat. Hüppen- und Pralinenschachteln, Osterhasen und Schoggichäferli liegen rum, ich rühr sie nicht an. Eine Zigarettenpackung hält bei mir drei Jahre. Wein vermehrt sich im Keller. Ich vergesse nie, dass Schoggi der Verdauung schadet, Zigaretten der Lunge und Wein die Leber schrumpeln lässt.

Worauf sich mein Mann bezieht, ist meine vermeintliche Leidenschaft, Farmville zu spielen, dieses Facebook Game, bei dem man virtuell Gemüsebeete bewirtschaftet, Tiere versorgt, allerlei Geräte und Maschinen und Gebäude erwirbt. Man erntet, melkt, baut, kauft und verkauft. Dabei ist Planung sehr wichtig. Es hat zum Beispiel keinen Sinn, Tomaten zu pflanzen, wenn man dann in acht Stunden nicht am Computer sitzt, um sie auch zu ernten. Himbeeren sind sogar schon nach zwei Stunden reif.

Farmville hatte mich tatsächlich am Wickel. Auch wenn meine „Farm“ relativ klein und übersichtlich war, beanspruchte sie andauernde Pflege, sprich Zeit. Der Grund für meine Hingabe war aber definitiv nicht Sucht, sondern Pflichtbewusstsein. Immenses Pflichtbewusstsein. Dieses geht offensichtlich so weit, dass ich mich als Versager fühlte, wenn meine Kürbisse und Aleopflanzen verfaulten, weil ich sie nicht rechtzeitig geerntet hatte. Als mein Hundewelpen vor Hunger davon lief, weil ich es einfach nicht geschafft hatte, rechtzeitig Futter für ihn zu organisieren, plagte mich das schlechte Gewissen.

Da war die Zeit reif, mit dem Spiel aufzuhören. Aber ich habe vorher noch alle Felder abgeerntet, damit ja nichts verdirbt. Nicht die Kartoffeln, nicht die Kohlköpfe und auch die Erbschen nicht.

Über Regula Babajeza

Ich habe schon nachhaltig gelebt, da war das Wort noch nicht erfunden.
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3 Antworten zu Pflichtbewusst bis zum letzten Erbschen

  1. kopfchaos schreibt:

    ….. bekenne mich auch zur zugehörigkeit der verschworenen farmville-fanatics….. 😉

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  2. Franz Oettli schreibt:

    Ja auf dem Land hat man halt noch Platz für einen Gemüsegarten. Das gibt halt schon etwas Arbeit, ist aber auch befriedigend zu sehen, wenn alles langsam Früchte trägt. Aber es kommt manchmal alles miteinander, dann muss man auch Abnehmer dafür finden. Meistens sind diese ja froh darum, auch wieder mal frisches Gemüse zu bekommen. Haben Sie den Rest tiefgefroren?

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