Direkt unter die Haut

Klavier zu spielen hat nur einen Nachteil. Das Instrument ist gross und schwer, so schwer, dass es sogar mühsam ist, die Stube umzustellen und das Instrument zu verschieben. Schon immer habe ich mir deshalb gewünscht, ein Hosensackinstrument zu spielen, das bei jeder Gelegenheit griffbereit wäre. Spätenstens seit ich im Kino den Italo-Western „Spiel mir das Lied vom Tod“ gesehen hatte (das muss irgendwann anfangs der 80er Jahre gewesen sein), stand die Mundharmonika ganz oben auf der Liste. Nur, kann man ein Instrument wirklich ernst nehmen, das ein bisschen abschätzig Schnöffegiige heisst? Ja man kann, denn sowohl der Film auch die wehmütige, traurige, geheimnissvolle Musik bleiben unvergessen. Es sollten jedoch gut 25 Jahre vergehen, bis ich nun täglich auf der Schnörregiige spiele. „Music for you“ heisst das Lied, obwohl … Musik kann man das, was ich aus diesen Noten mache, beim besten Willen nicht nennen. Aber Übung macht die Meisterin, und ich bin wirklich fest entschlossen, Konzertreife zu erlangen.

Im aktuellen Fortbildungsprogramm der Thurgauer Lehrerschaft ist nämlich ein Mundharmonika-Kurs mit Noldi Tobler aufgenommen, an den ein Kollege und ich uns spontan angemeldet haben. Bereits liegen zwei Kursabende hinter uns. Allerdings sind wir noch nicht bereit für einen Auftritt. Auch wenn das Instrument unscheinbar aussieht, nicht viel kostet und tatsächlich im Hosensack Platz hat, ist es überhaupt nicht einfach, darauf zu spielen. Es soll ja nicht mehrstimmig tönen.

Und so spitze ich also den Mund, um die Luft ganz gezielt in den Luftkanal des Instrumentes zu blasen, und halte dabei die Oberlippe gespannt. Die Zunge darf nicht etwa vorne sein wie beim Blockflötenspiel. Sie muss ganz locker im Gaumen liegen. Dafür kommt die Luft dann aus dem Rachen. Um von Tonkanal zu Tonkanal zu wechseln, wird die Mundharmonika verschoben und nicht etwa der Kopf. Dann gibt es noch zu beachten, dass der Ton, ist er erst mal rein, nicht absackt, sondern gehen das Ende eher noch an Kraft gewinnt. Pro Tonkanal gibt es zudem zwei Tön durch Blasen und Saugen. Immer schön portato spielen, aber nicht schmieren. Alles klar?

Und zum Abschluss noch etwas Wissenswertes: Die Mundharmonika ist ein Musikinstrument mit Durchschlagzungen aus Metall in parallel angeordneten Luftkanälen, die direkt mit dem Mund angeblasen werden. Sie ist im Vergleich zu den meisten anderen Musikinstrumenten klein, kostengünstig und unempfindlich. Eine besondere Stellung nimmt sie in der europäischen Volksmusik und im Blues ein. In der klassischen Musik hat die Mundharmonika nur zwei grössere Auftritte: Der brasilianische Komponist Heitor Villa-Lobos schrieb ein Konzert für Mundharmonika und Orchester, und von Ralph Vaughan Williams gibt es eine Romanze für Mundharmonika und Streicher.

Nun, ich denke, ich bleibe beim Lied vom Tod. In der englischen Originalversion sagt der Mörder zum kleinen Mundharmonikaspieler übrigens: „Keep your lovin‘ brother happy.“ Und das geht zusammen mit der Musik direkt unter die Haut.

Über Regula Babajeza

Ich habe schon nachhaltig gelebt, da war das Wort noch nicht erfunden.
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2 Antworten zu Direkt unter die Haut

  1. Regula schreibt:

    🙂
    I play/practice every day for several times (only short periods of course). My playing can’t be called music yet.

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  2. all8garden schreibt:

    I did not know that there was serious music written for the harmonica. Do you play often?

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