Bestimmt kennst du die Geschichte von der Land- und der Stadtmaus. Diese Geschichte lässt sich in unserer Zeit auch auf die Füchse übertragen. Ich würde sie so schreiben:
Stadtfuchs wusste, dass er eine hübsche Cousine auf dem Land hatte, obwohl er sie noch nie getroffen hatte. Nur seine Mutter hatte ihm immer von ihr erzählt, bevor sie auf der Umfahrungsstrasse von einem Auto angefahren wurde und starb.
Da Stadtfuchs seine letztjährige Gefährtin diesen Frühling nicht mehr gefunden hatte und doch etwas einsam war so ohne Familie, beschloss er, die Cousine zu suchen. Vielleicht würde er ja Anschluss an ihre Sippe finden.
Die Wegbeschreibung, die ihm noch wage in Erinnerung geblieben war, erwies sich als richtig, denn schon bald konnte er in der Ferne den bewaldeten Hügel mit der grossen Lichtung erkennen. In der Dämmerung schlich er vorsichtig zwischen den Wohnsiedlungen durch, an Koposthaufen, Meerschweinchengehen entlang. Um letztere würde er sich kümmern, wenn er wieder zu Hause war.
Schliesslich schnürte er über die frisch geemdete Wiese und betrat die Lichtung. Er rief seine Cousine und staunte nicht schlecht, als sie nach kürzester Zeit mit ihrem Nachwuchs, fünf kuscheligen Welpen, auf ihn zu eilte. Freudige Begrüssung, Beschnuppern und Schwanzwedeln. Dann ab in den Wald auf die Jagd.
„Huff, so viele Mäuse habe ich meiner Lebtag noch nicht gegessen“, sagte Stadtfuchs zu seiner Cousine Landfuchs. „Sie liegen mir schwer auf, aber trotzdem Danke.“ Stadtfuch legte sich zu seinen Nichten und Neffen und beschloss, morgen wieder nach Hause zu gehen, nicht ohne seine Cousine zu einem Gegenbesuch einzuladen.
Am anderen Abend machten sich die beiden auf in die Agglomeration zurück. Stadtfuch wusste schon, wie er seine Cousine beeindrucken wollte. Nachdem sie die frisch geemdete Wiese durchquert hatten und zwischen den ersten Neubauten am Stadtrand durch geschlichen waren, hiess Stadtfuchs Landfuchs versteckt hinter einem eben verblühten Holunderbusch auf ihn warten. Er würde bald mit einem feinen Braten zurück kommen, versprach er.
Stadtfuchs hatte das Meerschweinchengehege im Sinn, an dem er am Tag zuvor vorbei gekommen war. Vorsichtig schlich er sich heran. Er hatte Glück. Kein Mensch war auf der Terrasse. Das Gehege war zwar mit einem Netz und einem alten Fixleintuch abgedeckt, aber das war wohl eher ein Sonnenschutz. Stadtfuchs war sicher, dass Füchse hier nicht erwartet wurden.
Gerade als er ins Gehege gesprungen war, unter sich das Fixleintuch und unter diesem verschreckte Meerschweinchen spürend, kam ein Mensch aus dem Haus. Was blieb ihm da anderes übrig, als schleunigst Leine zu ziehen? Der Mensch rannte ihm sogar bis zur Hecke nach, so wütend war er.
Die Schmach war gross für Stadtfuchs. Und Landfuchs? Sie hatte genug gesehen. Zudem strömten Menschen einen gar üblen Geruch aus. Sie wollte sofort in den Wald zurück und verabschiedete sich hastig von ihrem Cousin, der natürlich ein bisschen enttäuscht war, dass die Begegnung so kurz gewesen war.
Was sollte er nun mit der langen Nacht anfangen? Er hatte ganz andere Pläne gehabt, als alleine durch die Quartiere zu streifen und nach Abfällen zu suchen. Aber es blieb ihm wohl nichts anderes übrig. Und doch wollte er (nur um sicher zu sein, nichts zu verpassen) nochmals beim Meerschweinchengehege vorbei schauen. Die Tierchen waren natürlich nicht mehr da. Dafür fand ein Paar Holzzoggeli, die er genüsslich zerbiss und zerkaute.